Die kleinen Züge

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Züge erleben, Züge entdecken, das Land der kleinen Züge entdecken - wer kann sich dieser Aufforderung entziehen? 

Wir hatten es uns schon lange vorgenommen, bereits 1996, als wir die nordöstliche Ecke des Genfer See besucht haben:
Dorthin, wo man beim Blick von Montreux über den Genfer See in Richtung Rhône-Mündung die Gipfel der Dents du Midi (3257 m) aus den Wolken aufragen sieht, dorthin in die Chablais müssen wir einmal fahren.

Dieses Jahr war es soweit, wir waren unterwegs in dieser dreigeteilten Region. Im französischen Teil haben wir die Aufmerksamkeit allerdings nicht den Zügen, sondern den Radfahrern gewidmet, im wallisischen begannen morgens unsere Ausflüge im Land der kleinen Züge, die uns auch hinüber in das waadtländische Chablais geführt haben. Wir haben abwechslungsreiche Landschaften vom mediterranen Genfer See bis zu den Gletschern erlebt.



Der freundliche Walliser Ferienort Champéry gehört zu der grenzüberschreitenden Ferienregion Portes du Soleil.

Am Berghang oberhalb der Dorfstraße gibt es schöne Ausblicke über die Dächer der Walliser Häuser auf die das Val d'Illiez einschließenden Berggipfel. Sonnige Bergalmen werden mit der Téléphérique Champéry - Planachaux erschlossen und sind ein Wanderparadies.

Von Champéry fährt man mit den Zügen der AOMC (und dem Regional Pass "Léman-Alpes") hinunter nach Aigle. Aigle ist der "Hauptbahnhof" für drei der vier kleinen Züge in der Chablais, die von der TPC - TRANSPORTS PUBLICS DU CHABLAIS SA. betrieben werden.

 

 

Les petits trains - Die kleinen Züge der TPC  

Kleine Züge?

Ja, es sind kleine Züge, an manchen Stellen echte Straßenbahnen, an anderen Stellen beweisen sie ihre Qualitäten als Bergbahnen, als richtige Kletterkünstler. 

Hin und wieder trifft man auf straßenbahntypische Oberleitungsmasten. In Bex heißen die Haltestellen "Halte Tramway". Auch die Namen mancher Restaurants verweisen auf die Straßenbahn, so z. B. das "Café des Tramways" in Monthey am altem Depot. 

Aber diese kleinen Züge erbringen große Transportleistungen, wenn man die Fahrgastzahlen der einzelnen Strecken betrachtet und erlauben uns große Ausflüge. 


Be 2/3 16 als Arbeitstriebwagen in der Ausweiche La Scierie

1996 gibt es in dem mir vorliegenden TPC-Fahrplan eine "tramway local" zwischen Bex und Bévieux. 

Der Dreiachser Be 2/3 16 wurde 1948 für diese Strecke gebaut. Nach Aufgabe des Tramverkehrs im Jahre 2002 ist dieses Fahrzeug u. a. als Arbeitstriebwagen bei Bévieux unterwegs. Zwei weitere blauweiße Tramwagen - Be 2/3 15 (Baujahr 1948) und Be 2/2 9 (Baujahr 1915) - waren im Juli 2007 auf dem oberen Adhäsionsabschnitt in Gryon abgestellt.

Das nicht alles klein ist konnte man am 19. Juli 2007 auf dem Bahnhof in Aigle erleben, als sich der fahrplanmäßige Zug der ASD mit Überlänge auf den Weg nach Les Diablerets machte: 
BDe 4/4 404 + Bt 432 + BDe 4/4 403 + Ars 421 + Arst 433 "Chez Rose"


Der Fünfwagenzug ging nicht aufs Bild, deshalb hier die Spitze...


...und hier das Zugende, die beiden "Erstklässler" Ars 421 und Arst 433.

Für die Züge gilt fast überall "Halt nur bei Bedarf - Arrêt sur demande". 

Ob man allerdings wie der Mann in Chemex ein Bein entblößen muß, um den einfahrenden Zug zum Stehen zu bringen und einzusteigen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber man könnte nachfragen...

 

 

Etwas Geschichte und etwas Technik

ASD

18.12.1913 Villars - Bretaye

VB

1942 Fusion

BVB

22.12.1913 Aigle - Le Sépey
7.7.1914 Le Sépey - Les Diablerets (früher Plan des Isles)
Ursprünglich geplant über den Col du Pillon bis Gstaad
9.9.1898 Bex - Bévieux
3.6.1900 Bévieux - Gryon
13.6.1901 Gryon - Villars
12.8.1906 Villars -Chesières (bis 1961)

BGVC

5.5.1900 Aigle - Grand Hôtel des Bains (bis 1932)
5.11.1900 Aigle - Leysin-Fedey
8.9.1915 Leysin-Fedey - Grand Hôtel de Leysin
in Planung: Grand Hôtel de Leysin - La Berneuse 
30.1.1908 Monthey - Champéry
Streckenast nach Morgins wegen 1. Weltkrieg nicht gebaut
14.6.1991 Verlängerung in Champéry (Seilbahn zur Planachaux)

MCM

1946 Fusion

AOMC

AL

3.4.1907 Aigle - Monthey

AOM

ASD
Aigle - Sépey - Diablerets


TPC - TRANSPORTS PUBLICS DU CHABLAIS SA.
Anfangs war das eine Betriebsgemeinschaft, 1999 erfolgte die Fusion der vier privaten Eisenbahnen in der Chablais.

Streckenlänge 22,3 km
Adhäsionsbetrieb
-
Maximalsteigung 60‰
Nennspannung 1500 V
Anzahl Tunnel 6
Höhenlage 404 m / 1157 m
Streckenlänge 17,1 km
davon 2 Zahnstangenabschnitte 7,3 km
System Abt
Maximalsteigung 60‰ / 200‰
Nennspannung 650 V
Anzahl Tunnel 1
Höhenlage 427 m / 1810 m

BVB
Bex - Villars - Bretaye

Streckenlänge 6,3 km
davon 1 Zahnstangenabschnitt 5,2 km
System Abt
Maximalsteigung 32‰ / 230‰
Nennspannung 1500 V
Anzahl Tunnel 4
Höhenlage 404 m / 1451 m
Streckenlänge 23,1 km
davon 3 Zahnstangenabschnitte 3,7 km
System Strub
Maximalsteigung 65‰ / 135‰
Nennspannung 850 V
Anzahl Tunnel 1
Höhenlage 404 m / 1049 m

AL
Aigle - Leysin


AOMC
Aigle - Ollon - Monthey - Champéry

 

 

Die großen Veränderungen in Aigle

Das Eisenbahnzeitalter begann in Aigle vor 150 Jahren, als 1857 die Strecke Lausanne - Simplon die Gemeinde erreichte.


Baustelle vor dem TPC-Verwaltungsgebäude

Wir hatten stets etwas Aufenthalt in Aigle (der Fahrplan der AOMC ist nicht so optimal auf die anderen Linien abgestimmt) und viel Zeit  uns umzusehen. Wer auf dem Bahnhofsplatz von Aigle fotografieren möchte und dabei keine Bauarbeiter, Baufahrzeuge und Absperrungen auf dem Film haben will, der muß noch ein paar Monate warten. Aber die Hauptarbeit ist seit dem 20. Dezember 2006 gemacht.

Es war einmal...
... daß die Züge vor dem heutigen "Café-Snack des petit trains" (War das früher ein Bahnhofsgebäude?) hielten. Jetzt halten dort Busse und Autos, die früher davor aufgereihten Züge versammeln sich jetzt alle unmittelbar neben den Gleisen des großen Bruders, der SBB. Einzig die AL hat beim Umzug ihren Stammplatz behalten. Die meisten Veränderungen in der Linienführung gab es für die AOMC, wie der Vergleich der beiden Lageskizzen zeigt.

alt

neu
Früher fuhr die AOMC schwungvoll vom Place de la Gare zur Avenue Margencel,

weiter über den Place Frédéric Rouge, auf dem sich bis 2006 die Gleise von AOMC und ASD kreuzten,

und dann in Randlage entlang der Route d'Ollon, die Masten der Fahrleitungen sind bereits demontiert.

Die neue Strecke der AOMC zwischen dem Bahnhof Aigle und dem neuerrichteten Depot in Châlex verläuft parallel zur SBB-Strecke.

Wenn ich die französischsprachigen Projektunterlagen richtig übersetzt habe, sollen für die kleinen Züge in Aigle noch Überdachungen gebaut werden, bei dem Himmel über dem Rhônetal sicherlich notwendig.

Eine besondere "Umspuranlage" habe ich an der südlichen Ausfahrt unter der Pont du Châtelard gesehen. Will die TPC expandieren und in die SBB-Strecke eindringen? 

 

 

Impressionen von den vier Linien

AL

  Chemin de fer Aigle - Leysin  



Der Wagen "AL 21" stammt aus dem Jahr 1900, er gehörte zum Anfangsbestand der AL und war bis 1974 im Einsatz. Seit 26. Mai 2007 wird er nach aufwendiger Wiederaufarbeitung als kleines betriebsbereites Prunkstück der Fahrzeugschau der Chemin de Fer-Musée Blonay-Chamby gezeigt.

Das 4,89 m lange Fahrzeug hat zwei Fahrgastabteile und ein Abteil für den Zugführer, das Gepäck und die Krankentrage, denn mit der Bahn wurden auch Patienten hinauf in die Kliniken und Sanatorien von Leysin transportiert.

abfahrbereit BDeh 4/4 301 "Aigle" (Bauhjahr 1966)  Der Zug aus Leysin hat die Zahnradstrecke durch die Weinberge passiert und verläßt nun das Depot auf dem Adhäsionsabschnitt. 

Die älteste der drei Aigler-Linien führt hinaus aus der Stadt, in der Ferne sieht man das Schloß Aigle, und dann, nachdem die Züge im AL-Depot kopfgemacht haben, in den Weinbergen steil nach oben. Es geht hinauf auf die Terrasse über dem Rhônetal nach Leysin. Dieser Ort hatte sich vom stillen Bergdorf zum Tuberkulose-Kurort entwickelt und damit den Bau einer leistungsfähigen Schienenverbindung zur damaligen Jura-Simplon-Bahn gefordert und durchgesetzt. 

Die Strecke ist kurz, aber bietet dem Fahrgast abwechslungsreiche Ausblicke auf Aigle, die Rhône-Ebene und das Vallée des Ormonts. Von Leysin - Feydey zum gegenwärtigen Endpunkt Grand Hôtel de Leysin wurde sie 1915 unterirdisch weitergeführt.

Bt 361 (Baujahr 1987) in der Ausweichstelle Rennaz Kein abgestellter Zug soll ohne "Erlaubnis" den Berg runter. Wenn Hemmschuhe das nicht mehr sichern können, muß man sich etwas anderes ausdenken: den schwenkbaren und in die Zahnstange einsetzbaren Prellbock. 

abgestellt: BDeh 2/4 202 (Baujahr 1946) 

Arseh 2/4 201 (Baujahr 1946) ist seit 1995 Salontriebwagen und erhielt 2003 einen Neuanstrich.

Auf dem Foto links ist der BDeh 4/4 313 "La Berneuse" (Baujahr 1993) am Bahnsteig in Aigle zu sehen. 

La Berneuse (2048 m) ist einer der Aussichtsgipfel über Leysin und Ausgangspunkt schöner Wanderungen und Klettertouren. Er ist außerdem die künftige Endstation der AL, wenn das Verlängerungsprojekt Grand Hôtel de Leysin - La Berneuse realisiert wird. 

Dann kommen die Angler zum See unterhalb des Gipfels nicht mehr mit der Kabinenbahn, sondern im Zahnradtriebwagen...

ASD

  Chemin de fer Aigle - Sépey - Diablerets  



Vorbei am mittelalterlichen Schloß von Aigle, in weiten Bögen durch die Weinberge, oberhalb des wilden, aber reizvollen Vallée des Ormonts führt uns diese Strecke bis an den Fuß der Dreitausender. Es ist eine spannende Streckenführung ohne Zahnradabschnitte. 

Man bestaunt die Vanel-Brücke ebenso wie die Überquerung des Grande Eau bei Le Sépey. Ursprünglich sollte die Strecke sogar über den Col du Pillon geführt werden und Gstaad/Saanen erreichen.

Die im Einsatz befindlichen Triebwagen stammen alle von 1987.


BDe 4/4 402 "Ormonts Dessous" (Baujahr 1987) und Bt 432 (Baujahr 1966/1987) bei Exergillod.
BDe 4/4 404 "Aigle" (Baujahr 1987) in Vers-l'Eglise BDe 4/4 403 "Ollon" (Baujahr 1987) und Bt 434 (Baujahr 1966/2000) passieren auf der Fahrt nach Le Sépey die Brücke über den Fluß Grande Eau.
BDe 4/4 404 "Aigle" (Baujahr 1987) in Les Diablerets vor der Kulisse der Dreitausender.
Etwas Außergewöhnliches ist der TransOrmonan, der auf der Strecke verkehrt. Zwei historische Triebwagen aus dem Jahre 1913 stehen für besondere Anlässe zur Verfügung, ergänzt durch zwei Personenwagen, die nach dem Brand des ASD-Depots am 26. Juni 1940 wieder aufgebaut wurden.

AOMC

  Chemin de fer Aigle - Ollon - Monthey - Champéry  



In der Ausstellungshalle in Chaulin steht der 1909 gebaute Triebwagen Nummer 6 der Chemin de fer Monthey-Champéry-Morgins. MCM - in der Beschriftung des Fahrzeugs erkennt man die ursprüngliche Absicht, auch eine Verbindung von Val d'Illiez nach Morgins zu bauen. 

Bis 1954 war dieses Fahrzeug vom Typ BCFeh 4/4 unentbehrlich für die AOMC, seit 1975 gehört es zu den betriebsbereiten Exponaten der Chemin de Fer-Musée Blonay-Chamby.


Taltriebwagen Be 4/4 101 "Yvorne" (Baujahr 1966/1985) im Kopfbahnhof Monthey-Ville neben Zahnradtriebwagen BDeh 4/4 501 "Vaud" (Baujahr 1987)

Langezogen ist das Tal des Flüßchens La Vieze unweit der französischen Grenze. Die AOMC bringt uns von Aigle vorbei an den Weinbergen um Ollon und quer über die Rhône-Ebene in das Val d'Illiez und in die hochgelegene Kur- und Ferienregion Port du Soleil bis an den Fuß der Dents Blanches. Mit dem "Zug der Emotionen" hat man schöne Aussichten, z. B. auf Troistorrents.

Ein Fahrgast, eine nette ältere Dame, hat mir am Bahnsteig in Aigle erklärt, warum ich mit dem abfahrbereiten Zug nicht bis Champéry fahren kann: der Triebwagen hat keine Zahnräder, es ist ein Taltriebwagen. 

Also warten wir auf den für die steilen Berge geeigneteren Zug...

Beh 4/8 591 (Baujahr 2001) hat in Monthey-Ville Kopf gemacht und zweigt jetzt ampelgeregelt Richtung Val d'Illiez ab BDeh 4/4 512 "Val d'Illiez" (Baujahr 1954) unterwegs in Champéry

BVB

  Chemin de fer Bex - Villars - Bretaye  



Les Mines de Sel de Bex - in dem großen unterirdischen Labyrinth des Salzbergwerks erfährt man viel Interessantes Winter am Col de Bretaye am 10. Juli 2007

Die meisten Reisenden im Liniennetz der TPC werden mit der BVB transportiert. Von Bex an der Simplon-Linie führt die Strecke hinauf nach Villars - einem berühmten Ferienort der Waadtländer Alpen und weiter zum Col de Bretaye. Die Stromerzeugung am Fluß L'Avançon bevorzugte die Strecke von Bex nach Villars gegenüber der Linienführung von Aigle hinauf.

Insgesamt 1400 m klettert die Bahn, durchquert spektakulär den Ort Bex und erschreckt so manchen Autofahrer in Gryon, La Barboleuse und Villars. Wenn es hinter der nächsten engen Rechtskurve pfeift, könnte plötzlich von dort etwas Großes Rot-Orangenes auf Kollisionskurs auftauchen...


stets bremsbereit: Beh 4/8 in den engen Straßen von Bex

Beh 4/8 91 "Bretaye" (Baujahr 2000) abfahrbereit vor dem SBB-Bahnhof Bex  Nach Passieren der imposanten Brücke über La Gryonne ist BDeh 4/4 82 "Ollon" (Baujahr 1977) + Bt 63 (Baujahr 1976) oberhalb des Tales unterwegs Richtung La Barboleuse

Dreiwagenzug BDeh 4/4 83 "Bex" (Baujahr 1987) + Bt 63 (Baujahr 1976) + Bt 61 (Baujahr 1976/2000) am Col de Bretaye BDeh 4/4 82 "Ollon" (Baujahr 1977) neben Bt 61 (Baujahr 1976/2000).

In Villars-sur-Ollon gibt es ein Gleisdreieck. Nach links an den Hausbahnsteig fahren die aus Bex kommenden Züge (früher ging es dort weiter nach Chesières), hinter der Betonüberdachung fahren nach rechts die Züge Richtung Col de Bretaye ab und in der Verbindungskurve steht ein BDeh 2/4 aus den vierziger Jahren. 

Übrigens haben auch die anderen Linien jeweils eine Station, in der sie Kopf machen müssen: 

  • AL - im Depot am Ortsrand von Aigle
  • ASD - in Le Sépey oder direkt auf der Brücke über den Fluß Grande Eau
  • AOMC - in Monthey-Ville

 

 

kleiner Nachtrag



Wir waren ein paar Tage unterwegs im Land der kleinen Züge, die große Entdeckungen und Überraschungen für jeden Besucher bereithalten. 

Aigle ist bekannt für seinen guten Wein. Das Geheimrezept dafür kenne ich natürlich nicht. 

Hat es etwas damit zu tun, wo abgefüllt, verkostet und verkauft wird?

Unser Fazit: Champéry und die kleinen Züge waren die Reise wert.

 



letzte Änderung:  22.08.07 29.07.19 freeze

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